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S'isch ja nur e chlises Träumli gsi...

Aus der PETRI NEWS 173-2013


Markus Angst 

S'isch ja nur e chlises Träumli gsi...


«Ich spürte einen bohrenden Finger in meinem Rücken...»

Ende letzten Jahres veröffentlichte die Avenir-Suisse eine Studie mit dem Titel „Der strapazierte Mit-telstand, Zwischen Ambition, Anspruch und Ernüchterung“, über die ich mir eines Abends einen Zei-tungsartikel zu Gemüte führte. Im Zentrum meines Interesses stand das Thema „Umverteilung“ und es war tatsächlich nicht sehr erbaulich, was ich da las! Haben Sie gewusst, dass in der Schweiz gut über die Hälfte des Bruttoinlandproduktes dem Staat und den Sozialversicherungen zufliessen (also in ir-gendeiner Form umverteilt werden)? Ein schwacher Trost, dass es anderswo noch schlimmer ist. Doch verlassen wir nun die Politik – es soll ja bei den Petri News ums Fischen gehen. Ich dachte also noch eine Weile über den Artikel nach und legte mich anschliessend schlafen.

Bald einmal fand ich mich an einem herrlichen Forellengewässer wieder. Riesige Maifliegen schlüpften - die Fische stiegen. Ich suchte mir einen vielversprechenden Ring und warf ihn elegant und präzise an. Sofort folgte der Biss und meine Ephemera Danica verschwand in einem hell aufblitzenden Forellenmaul. Nach einem packenden Drill landete ich sodann meine erste Rotgepunktete. Sie war deutlich über 50cm, stark und wohlgenährt. Ein wunderbarer Fang und ich wähnte mich mindestens im siebten Himmel.

Bald erfolgte der zweite Biss – diese Fario musste noch grösser sein! Doch kaum angeschlagen spür-te ich einen energischen, spitzen Finger, der sich mir in den Rücken bohrte. Ich drehten mich widerwil-lig um und erschrak: Da stand er – ein blauer Schlumpf mit seiner typischen, weissen Kappe – in sei-nen Wathosen, wobei ihm das Wasser bis zum Hals stand (Schlümpfe sind ja auch deutlich kleiner als ich). Ohne ein Wort zu sagen, riss der Schlumpf mir meine Rute aus der Hand und gab sie einem anderen Fischer, der – wie aus dem Nichts – plötzlich neben ihr stand.

Da ich ihn offenbar völlig verdattert anstarrte, erklärte er mir, dass ich ja schon einen Fisch gefangen hätte und der Müller (offenbar der inzwischen meine Fario drillende Genosse) noch keinen. Der Staat müsse für soziale Gerechtigkeit sorgen, was er als Finanz-Schlumpf und somit als dessen legitime Vertretung nun getan hätte.

Inzwischen hatte ich mich wieder etwas gefangen und wagte einzuwenden, dass der Müller ja auch erst grad‘ ans Wasser gekommen sei, währenddessen ich schon eine Weile fischte und er doch erst mal selbst sein Glück versuchen solle. Sehr bestimmt und leicht gereizt erklärte mir der Schlumpf, dass das überhaupt keine Rolle spiele und ich mich kooperativ verhalten sollte, ansonsten mir künftige Straf-Fische auferlegt würden. Er meinte, ich könne ja inzwischen mit Müllers freier Rute fischen, wo-bei er mir noch nicht garantieren könne, ob ich den nächsten Fisch behalten dürfe. Das würde eben stark davon abhängen, wie der Fangerfolg der anderen Fischer sich entwickle und der Staat würde die Quote der zu behändigenden Fische laufend den sich wandelnden, sozioökonomischen Gegebenhei-ten anpassen.

Ich überlegte eben, ob ich nun mit Fischen aufhören sollte oder ob es vielleicht angebracht wäre, dem Schlumpf einen leichten Schubs Richtung Flussmitte zu geben, als ich aus weiter Ferne die besorgt klingende Stimme meiner Frau Gemahlin vernahm. Langsam erwachte ich und realisierte, dass ich schweissgebadet in meinem ziemlich zerwühlten Bett lag.

Meine Mutter hatte eben schon recht, also sie mir als kleiner Junge riet, vor dem Einschlafen keine Horrorgeschichten zu lesen!

Ihr Markus Angst