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Ein Vorrat an Erinnerungen anlegen
Aus der PETRI NEWS 196-2015

Markus Angst

Einen Vorrat an Erinnerungen anlegen

«Doch dem Herrn schien dieser Plan nicht zu gefallen...»

„Kluger Rat – Notvorrat“ heisst es doch - und das gilt insbesondere auch für schöne Erinnerungen! Doch lassen Sie mich hier kurz unterbrechen und die Zeit auf den August dieses Jahres zurückspulen: Meine fünfjährige Tochter Anna bestürmte mich seit längerem, Ihr ein Kinderhaus zu bauen. Diesen Sommer hatte sie mich schliesslich soweit um ihr kleines Fingerchen gewickelt, dass ich nachgab. Ein Schwedenhaus sollte es natürlich sein (Anforderung Anna, wohl durch unsere Lapp-land-Ferien inspiriert) und gross genug, dass der Papa mit seinen 190cm ohne die Beine anzuziehen liegen kann (meine Anforderung).

Es wurde also ein Fundament erstellt, eine Sickerleitung gelegt (ja, das war nötig!), Holz und ein Basis-Bausatz wurden eingekauft und die Doppelgarage zur Malerwerkstatt umfunktioniert. Anschliessend wurde jedes Teil viermal – und das selbstverständlich auf allen Seiten – gestrichen! Holzschutz, Grundierung zwei Deckanstriche. Meine Frau und ich strichen gefühlte Jahrzehnte und das buchstäblich in jeder freien Minute. Irgendwann verfolgten mich schwedenrot-triefende Pinsel in meinen Träumen – übel!

Was seine vier Anstriche hatte wurde fortlaufend verbaut. Das Projekt zog sich mittlerweile in den September hinein und obwohl es mir ja eigentlich Spass bereitete, setzte mich das Herannahem der Äschensaison etwas unter Druck. Ich wollte noch ein paar Tage nach Österreich, ganz sicher noch mindestens einmal ins Veltlin und in den Mittagspausen in der zwei Minuten vom Arbeitsplatz entfernten Reuss fischen.

Ich legte also noch einen Zacken zu und siehe da: Für den Abend des 16. September waren schliesslich die allerletzten Arbeiten geplant. Vier Bretter für die Dachfront sollten noch angebracht werden und dann würde Schluss sein. Ich würde wieder etwas Freizeit haben und anstelle von Pinsel, Säge und Akkuschrauber endlich mal wieder eine Fliegenrute in den Händen halten. Doch dem Herrn schien dieser Plan nicht zu gefallen und so nahm die Geschichte einen anderen Lauf.

Die Bockleiter - mit mir auf dem obersten Tritt - kippte und ich fiel mit beiden Unterarmen auf die Holme der am Boden liegenden Leiter. Resultat: Trümmerbruch links, inzwischen mit Titanplatte und sieben Schrauben geflickt; normaler Bruch rechts, mit wunderbar azurblauem Gips geschient. Der Chirurg, wie der Zufall so will selbst ein Fliegenfischer, erklärte mir unmissverständlich, dass ich meine Saison abzuhaken hätte. Es dauere drei Monate, bis ich wieder Fliegenfischen dürfe. Damit ist meine Saison also gelaufen und ich bemühe mich aufrichtig, den Hürden, die der Alltag für mich bereithält, mit Humor zu begegnen.

Wenn nun meine Freunde von Ihren Ausflügen ans Wasser berichten oder mich in den sozialen Medien (was für eine Bezeichnung!) auf dem Laufenden halten, hole ich jeweils meine Erinnerungen an vergangene Erlebnisse hervor und schwelge darin… in 3D und Farbe! Manchmal lass ich dabei den einen oder anderen gefangenen Fisch in meinem Kopfkino etwas wachsen oder den Wein, der ein vergangenes Essen begleitete noch etwas besser schmecken. Das scheint mir unter diesen Umständen durchaus legal zu sein und wirkt sich sicherlich positiv auf die Genesung aus!

Also, liebe Leser: Gehen Sie raus, wann immer Sie können und fischen Sie, was das Zeug hält! Verabreden Sie sich mit Freunden und seien Sie grosszügig mit sich selbst! Bemühen Sie sich redlich, einen ordentlichen Vorrat an schönen Erinnerungen zuzulegen – man weiss nie, wenn man ihn braucht!

Ihr leicht handicapierter Markus Angst