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Aus der PETRI NEWS 220-2019


Von Dominique Lambert
 

Vom unheilbaren Fischer-Virus

Immer öfter erwische ich mich dieser Tage, wie ich verstohlen auf den Kalender und den darin rot angekreuzten «Tag X» – die Forelleneröffnung – schiele. Um nur wenig später emsig in den Kisten mit meinen Fischer-Utensilien zu kramen. «Ich hatte doch...», «wo ist denn...» sind Aussagen, die ich dabei mehr zu mir murmle als zu irgend jemand anders. Zwischendurch immer mal wieder ein «Autsch, verdammt...!», wenn ich in einen Haken greife. Die gerechte Strafe für unsauber sortierte Fischerwaren...

Lange; schon viel zu lange (gefühlte Ewigkeiten!) ist es her, dass ich meine geliebten Fliegenruten am Wasser in der Hand hatte; das Zischen des Vorfachs, der Schnur vernahm. Über den Winter habe ich dieses tiefe Verlangen zu fischen jeweils erfolgreich unterdrücken können. Alles andere hätte mich wohl auch in den sicheren Wahnsinn getrieben. Aber jetzt, nach diesem tollen, sonnigen Februar, funktionieren die Taktiken des Unterdrückens einfach nicht mehr. Die Vögel zwitschern bereits von den Dächern, und überall spriesst das Leben aus dem Boden, aus dem Gehölz. Die schier endlose Wartezeit ist bald um!

Geht’s Dir denn nicht auch so? Immer stärker wird dieser Tage die Anziehungskraft der Wathosen, die über Monate in der hintersten Ecker des Schranks ein trauriges Dasein fristen mussten. Der Trieb, mit beiden Füssen in der Strömung zu stehen, durch die Polbrille zu linsen, mitten in der Natur zu sein, die Rute zu schwingen, beherrscht unsere Sinne, unsere Sehnsucht. Zuerst nur ein bisschen, dann immer stärker, und bald gar unüberwindbar. Dagegen, meine Fischerfreunde, ist kein Kraut gewachsen. Ihr könnt es Euch ersparen: Einmal ausgebrochen, ist das «Fischerfieber» unheilbar. Ich habe meinen Frieden damit gemacht, davon infiziert zu sein. Gebe mir erst gar keine Mühe mehr, den Versuchungen zu widerstehen, die diese «Krankheit» mit sich bringt. Etwa derjenigen, meine Fliegenweste in der Wohnung anzuziehen – und wenn es nur dafür ist, wieder einmal alle Taschen zu öffnen und zu sehen, was dort drin ist, was ich am Ende des letzten Jahres am Wasser dabei hatte. Eigentlich grundstupide, ich weiss! Aber ich kann einfach nicht anders, muss das machen. Für meinen Seelenfrieden (so erkläre ich mir das wenigstens selber).

Oder aber stundenlang im Schneidersitz auf dem Boden sitzend die selbst gebundenen Trockenfliegen zu sortieren, sie behutsam in die verschiedenen Fliegendosen zu stecken. Auch wenn ich ganz genau weiss, dass ich dies bereits letzten Herbst gemacht habe...

Entsetzt habe ich auch merken müssen, dass sich die gängigeren Knoten nicht mehr wie von selbst binden, sondern dass ich doch tatsächlich nachdenken muss, wie der eine oder andere Knoten geht.

Aber schliesslich ist es mit dem Fischen doch wie mit dem Velofahren: Wenn man’s einmal konnte, dann hat man’s ganz schnell wieder drin. Mit diesem Wissen wünsche ich Dir nun eine kurze Wartezeit. Und zwinge mich, die Fliegenweste wieder auszuziehen...

Dominique Lambert
www.dominique-lambert.ch