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Wer ist der besssere Angler?

Aus dem Angelmagazin "Am Haken"

Von Dr. Wolfang Stoltenberg

Seit Angler angeln, stehen sie bewusst oder unbewusst mit anderen Angler im Wettbewerb. Wer fängt mehr Fische, wer fängt grössere Fische, wer hat mehr Ahnung vom Angeln, kurz gesagt: Wer ist der Beste? Unser Autor Dr. Wolfgang Stoltenberg ist dieser Frage einmal nachgegangen.

Angefangen hat das vermutlich schon in der Steinzeit: Wer dem Weibchen die dickere Beute vor die Füße legte, hatte die besten Chancen, seine Gene zu vererben. Wir halten also schon mal vorsorglich fest: Auch beim Angeln geht es eigentlich nur um das Eine.

Das hilft uns sicher, für ein paar besonders impertinent strunzende Sportfreunde ein gewisses Verständnis aufzubringen. Wenn also einer seine Künste am Wasser, in der Vereinskneipe oder gar auf Messen wortreich preist, können wir unser Selbstwertgefühl mit dem Gedanken „Hormongesteuert!" wieder einmal reanimieren. Assoziationen und Vergleiche bezüglich Angel-Ruten lasse ich hier bewusst mal aussen vor.

Elitäre Fliegenfischer?
Im prüden England des 19. Jahrhunderts gelang es, die Frage des besseren Anglers von allzu Menschlichem zu philosophischen Fragen zu transferieren. Die Trockenfliegenfischer um F.M. Halford schauten verächtlich auf alle herab, die nicht stromauf in den klaren Kalkflüssen fischten. Dabei war sonnenklar, dass nur die Trockenfliege akzeptabel war, wer nass oder gar mit der Nymphe fischte, galt als verachtenswert. Das lag sicher auch daran, dass unter der Oberfläche besser gefangen wurde. Wenn schon wenig fangen, dann aber bitte mit Stil!

Und die Nymphe oder Nassfliege 45 Grad stromab werfen, herumschwingen lassen und zum Schluss aufsteigen lassen? Das ist ja brutal erfolgreich. Auch heute gibt es noch elitäre Trockenfliegenjünger, die meinen, solche Leute gehören geteert und gefedert. Das geschieht allerdings nur selten, da die Federn ja anderweitig gebraucht werden. Aber manchem hilft es wohl, erfolgreichere Angler mit fadenscheinigen Argumenten zu denunzieren. Hauptsache, man stellt sich selbst ins bessere Licht; alternative Fakten funktionieren immer, auch wenn sie längst durchschaut und widerlegt wurden. Das gilt, wie wir wissen, nicht nur für Fliegenfischer.

Allround oder Specimen?
Natürlich stellt sich bei der Frage des besseren Anglers auch bei Allroundanglern und Specimen Huntern. Allein schon der mit den meisten Anglizismen sollte doch besser sein, oder? Weitere Argumente: Der eine weiss wenig über sehr viele Angelmethoden und Fischarten, der andere weiss viel über sehr wenig Fischarten und Angeltechniken.

Im Winter sind die wechselwarmen (besser: -kalten) Karpfen quasi am Boden festgefroren und es gehört neben viel Geduld noch mehr Spezialwissen dazu, so einem Fettwanst den Boilie quasi direkt ins Maul zu werfen. Andere lassen bei Frost Karpfen, Forellen und Hechte in Frieden und stellen lieber Döbeln und Quappen nach, da muss man auch nicht auf zehn Quadratzentimeter genau werfen.
Specimen Hunter, dazu zähle ich auch die spezialisierten Zander-, Hecht- und Wallerangler, wollen ja gezielt die Kaventsmänner aus dem Wasser hieven. In Videos sagen sie bei kleineren Exemplaren mit gequältem Lächeln: .,Schöner Fisch!", zwischen den Zeilen liest man aber: ,,Eine Schande, dass der mich belästigt hat." Eigentlich zählt hier nur der nächste Personal Best, was man auch auf Deutsch sagen könnte, das kommt einem Specimen Hunter aber nicht über die Lippen.

So ein ausländisches Kauderwelsch über Tackle, Rigs mit und Blanks in lbs-Stärke ist mehr als hilfreich, sich als elitäre Gruppe zu profilieren und vor übereifrigen Seiteneinsteigern zu schützen. So müssen auch die Hardcore­Raubfischangler bei mir keine Sorgen haben: Wenn ich die ganzen Gummifisch-Namen höre, bekomme ich Sodbrennen. Allerdings sollte ich nicht mit Steinen werfen, weil ich auch mit Flash-Streamern und Wiggle-Tails auf Hecht fische. Da das Lästern aber so viel Spass macht, tue ich es trotzdem. Wobei ich uns Hechtfliegenfischern dringend empfehle, Dänisch und Schwedisch zu lernen, da kommen derzeit die Innovationen her. Da würden die Hardcore-Specimen-Hunter aber Augen machen!
Und die Döbel- bzw. Quappenangler angeln mit Wurm, Maden, Brot und anderen Naturködern und fangen entspannt ihre Fische. Dass sich im Winter gerade die dicken Döbel fangen lassen, verrate ich hier lieber nicht.
So als Zwischenfazit muss ich feststellen, dass ich nicht wirklich der Antwort einen Schritt näher gekommen bin. Tendenzen hat sicher jeder schon herausgelesen.

Wettfischen
Endlich mal eine klare Kiste: Wer am meisten fängt, ist logisch der Beste. Darum ist das Wettfischen auch in Verruf geraten, nur einer gewinnt, alle anderen sind Verlierer. Da setzt sich dann halt die anonyme Masse durch und verbietet den Siegern den Spass. Ich mache das auch nicht mehr, obwohl mich das ab Mitte der achtziger Jahre sehr beflügelt hat, weil ich einer der Besten sein wollte. Was habe ich getüftelt, bin nach Boxmeer zu Hengelsport-Bruins gefahren, um mir die ersten Winklepicker zu kaufen und habe mir Futterspiralen selbst aus Blumendraht gewickelt.
Zu einem Wettfischen erschienen ein Angelfreund und ich mit einer Bojenrute, auf die Idee waren wir unabhängig gekommen. Schnurclips waren damals nicht allgemein verbreitet und wir wollten das Futter, die Matchpose und das Blei am Winklepicker immer an die gleiche Stelle befördern. Wir haben unsere Sektoren grandios gewonnen; Bojen waren beim nächsten Wettfischen verboten. Da erschienen wir dann mit Gummis auf den Schnurspulen, die wir übrigens in Spüli gebadet und somit entfettet hatten.
Mit der Futterschleuder haben wir uns immer die Spitzen der Waggler abgeschossen und aus Kupferdraht und Silikonschlauch die ersten Posen-Schnellwechsler gebastelt. Ja, das hat uns technisch richtig weiter gebracht, man lernte, einfach mal quer zu denken. Das mache ich heute noch gern, muss aber nicht mehr der Beste sein. Zwei Gründe: 1. Alter macht weise (und ich warne jeden, der mir widerspricht) und 2. So weit kommt das noch, dass so'n junger Hüpfer respekt- und rücksichtslos einfach mehr fängt.


Also, wer isses denn nun?
Kommen wir wieder zu ersten Absatz. Für manche mag es zur Profilierung wichtig sein, zu rufen: .,Ich habe den Grössten (Fisch)!" oder „Ich bin der Beste im (Angeln)!". Zumindest im zwischenmenschlichen Bereich sollte man sich vor Einleitung weiterer Schritte von Fisch- und Futtergeruch befreien. Sonst läuft eh nichts.
Ich selbst habe meine Gene schon erfolgreich weitergegeben, stehe also nicht mehr unter Zugzwang und kann ganz entspannt angeln gehen; ja, ihr dürft mich ruhig beneiden! Darum macht es mir nichts aus, mit Alex Keus am Bodden zu stehen und festzustellen, dass er besser wirft und fängt als ich. Oder die Führung der Pose mit der Sechs­Meter-Bolo am Lech zu üben und mir von Marco Mariani abzuschauen, wie er das ebenso perfekt wie elegant macht. Manche Leute haben's halt drauf!
Nur zwei Beispiele, aber beide sind nette Jungs, die kehren ihr Können nicht heraus, sondern helfen auf Nachfrage mit Rat und Tat. Mit denen kann man abends auch ein Bierchen trinken und Spass haben. Das sind für mich die besten Angler.
Andere Typen wirken schnell arrogant auf mich und ich meide tunlichst deren Gesellschaft. Und wenn sie auch noch besser sind als ich, suche ich das Weite und nicht den Vergleich.

Und ganz im Vertrauen, schliesslich gilt für mich immer noch, was mein Vorbild Cassius Clay damals lauthals schrie:...