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Aus der PETRI NEWS 224-2019

  Von Thomas Bucher

 

Ich war noch niemals in New York...


...ich war noch niemals auf Hawaii, ging nie durch San Francisco in zerriss’nen Jeans‘‘. Die Geschichte von dem Typen, der einfach schnell Kippen holen will und sich dann überlegt, die ganze Spiessigkeit und alle Zwänge hinter sich zu lassen, hat mich schon immer fasziniert. Ich habe selbst zwar, wenn immer möglich, einen grossen Bogen um solche Metropolen gemacht. Diesen Sommer wurde ich allerdings überstimmt und habe New York zähneknirschend als eine der Zwischenstationen akzeptiert. Als ich dann herausfand, dass die Fischereilizenz des Staates New York auch für die Seen im Central Park gilt und es dort Bass (Schwarzbarsche) hat, habe ich das Grinsen kaum mehr aus dem Gesicht gebracht. Es gibt immer einen Strohhalm…

Aber der Reihe nach. Unser Road Trip führte uns zuerst von Ottawa nordwärts in die Provinz Québec. Ein Stroh-Lehm-Haus direkt an einem kleinen See, Karl May hätte es nicht besser hingekriegt… Für mich entscheidend war natürlich die Frage nach dem Fischbestand im See. Auf der anderen Seite der Bucht hatte es noch ein Häuschen und kaum waren wir angekommen, sah ich die krumme Rute des Nachbarn. Überhören konnte man ihn auch nicht, er schrie wie ein Verrückter und er fuchtelte wie wild mit seiner Rute. Die Nordamerikanischen Indianer… Entschuldigung, Indianer sagt man nicht mehr! Natives ist auch nicht mehr aktuell und mit dem jetzigen First Nations ist man auch nicht so recht zufrieden. Beim Manitu, das nenn ich mal political correctness… Auf jeden Fall glaubt man in dieser extrem spannenden Kultur, dass jeder Mensch über ein sogenanntes Totemtier mit der Geisterwelt verbunden ist. Für den Nachbarn kommt also nur der Brüllaffe als Totemtier in Frage. Die Fischerei war wirklich ganz grosses Kino. Ich habe mit meiner geliebten 7/8 Vision Mag, bestückt mit Floating Schnur und Poppern gefischt. Unzählige Filme habe ich gesehen, mir immer wieder vorgestellt wie es sein muss, wenn ein Bass brachial mitten in den Seerosen auf den Oberflächenköder knallt. Alle meine Erwartungen wurden übertroffen, ich habe noch nie eine so spannende Fischerei erlebt… Auch für den Rest der Gruppe war die Location perfekt. Mein Sohn (Totemtier Schlammspringer) und meine Tochter (Totemtier Wasserratte) haben den ganzen Tag am, im und auf dem See verbracht.

Über Lake Placid ging es dann schliesslich nach New York. Mein teuflischer Plan sah vor, dass ich, während dem meine Familie auf dem Rockefeller Tower die Aussicht geniesst, die Fliegenrute im Central Park schwinge. Wie meistens im Leben, driften leider Vorstellung und Realität weit auseinander. Mein Plan hatte Schwächen… Ich weiss, dass New York riesig ist, trotzdem habe ich den Zeitfaktor um von A nach B zu kommen unterschätzt. Zweitens war Sonntag, Sommerferien und das Wetter war perfekt. Als ich mir auf dem Weg im Park, zwischen Strassenkünstlern und Reisegruppen aller Ethnien so überlegte, wie wohl die Reaktionen der Leute sei, wenn ich einen Fisch hake, beschlich mich ein ungutes Gefühl. Es hatte sich sowieso erledigt, als ich erst an die Seen kam. An Fischen war nicht zu denken. Entweder hätte ich einen Schwimmer, eine Ente oder einen Hund gehakt, und das war alles keine Option… Natürlich hatte ich einen Plan B! Auf dem Weg zum Park habe ich die Fühler nach Irish Pubs ausgestreckt. Das Beste schien mir das O’Brian’s zu sein. So gönnte ich mir 2 Guinness und hatte doch noch einen versöhnlichen Abschluss mit New York…

Übrigens habe auch ich mein Totemtier gefunden: der Wanderfalke. Zwar kann ich nicht mehr behaupten, noch niemals in New York gewesen zu sein, aber es fallen mir dutzende andere Destinationen ein, die ich noch besuchen könnte.