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Aus der PETRI NEWS 228-2020

James Fond 008
 

Von Schafen und Lämmern

Also, das mit dem grossen Vorteil, hier in meinem irischen Corona-Exil zu essen, als in der Schweiz, stimmt halt schon nicht so ganz. Sicher billiger, das stimmt. Auch habe ich wenig zu meckern an der Qualität des Fleisches im Allgemeinen. Was mich am meisten stört ist die Interpretation des Fleischhandels hier auf der Insel, was denn ein Lamm oder schon ein Schaf ist.

Auf dem Kontinent ist das so, dass, nachdem ein Lamm mit rund einem Gewicht von 20 Kilo zum ersten Mal Mutter oder Vater wurde, dass es dann zum Schaf mutiert. Hier aber werden diese Schafe mit mindestens einem Gewicht von 27 Kilo (bis 45…hat da einer Mutton gesagt!) geschlachtet und unisono als Lamm (Lamb is under one Year!) verkauft. Als ich darob mal stinkig wurde und den Metzger höflich fragte, ob denn die Jumbo-Koteletten vom Elefantenlamm seien, wurde auch er stinkig. Vom Jung- oder Osterlamm wollen wir gar nicht erst reden.

Als ich vor Ostern nach einem solchen fragte um heraus zu finden, ob es auch Lammgigots mit einem Gewicht von nur rund einem Kilo gäbe, schüttelte er verständnislos den Kopf und meinte, dass 1.6 Kilo das Minimum sei, eben Lamm statt Osterlamm. Als ich dann vor Ostern in seiner Metzgerei stand und nach der leichtesten Lammkeule fragte, suchte er im Kühlraum lange und legte sie auf die Waage, welche stolze 3.1 Kilo anzeigte; eben Schaf, wenn nicht schon Mutton (warum glauben Sie, haben die Engländer die grauenhafte Mint Sauce erfunden?)und nicht Osterlamm. Er wurde nicht einmal rot, ich schon. Es gab dann hausgemachte Ravioli à la Ferlin als Ostermahl.

Ähnlich läuft es mit den Rindern. Da habe ich doch schon mehr Kilo schwere Rinderfilets gesehen, dass ich fragen musste, ob denn diese  von einem Auerochsen seien. Seit da (und halt noch anderen ähnlichen Gegebenheiten) grüsst er mich nicht mehr freundlich und überlässt die Bedienung einem Bankmetzger.

Rindfleisch kaufe ich seit langem bei Super Value, weil dieser vom Rib Eye das Fett heraus schneidet. Auf meine Frage (und ich frage halt immer, wenn mich etwas interessiert) warum er dies tue, meinte er, dass die Iren Fett nicht mögen. Ich meinte, ich müsste Vögel kriegen. Als ich ihm einmal ein Bild aus dem Magazin BEEF vom Steak  eines Wagyu Rindes zeigte, fiel er fast in Ohnmacht.

P.S. Ich bin noch nicht fertig mit der Richtigstellung, aber um den Rahmen nicht zu sprengen will ich mit Euch davon in der nächsten Ausgabe dieses Blattes reden. Ein ernsthaftes Wort!
 

Reaktion und Antwort unseres Kunden Christian Marti:

Kleiner Beitrag bezugnehmend auf obgenannter Kolumne

Guten Tag HRH
Mit Interesse und aufmerksam habe ich ihre Zeilen im Petri News "Von Schafen und Lämmern" gelesen. Ich bin nämlich nicht nur Fischer sondern auch noch Schafhalter ( Bestand momentan 32 Tiere). Gerne versuche ich ein wenig Licht in ihr Schaf/Lamm Problem zu bringen.

Sowohl in Irland auch in der Schweiz reden wir von Lämmern solange diese NICHT älter als ein Jahr alt sind. Was älter als ein Jahr ist, ist ein Schaf. Die Zeit der Trächtigkeit dauert 150 Tage und die Jungauen werden mit ca. 12 Monaten alt oder einem Lebendgewicht ab 50 Kilogramm das erste mal gedeckt. Bekommen also im Alter von 1 1/2 Jahren das erste mal Junge. Dabei sind sie meist schwerer als 60 Kilogramm. Ausgewachsene Schafe sind zwischen 60 und 80 Kilo schwer. Böcke können bis 100 Kilo oder mehr erreichen.

Nun aber ein paar Worte zum Lamm und seinem feinen Fleisch, welches wir wohl beide lieben. Mhhm fein! In der Schweiz werden die Lämmer mit einem Lebendgewicht von 40 bis 45 Kilo (Schweizerpräzisionsziel ist 42.5 Kilo) geschlachtet. Ein solches Lamm ist zwischen  4 und 8  bis 10 Monate alt. Die Zunahme von Gewicht und Grösse sowie Fettanteil hängt von sehr vielen Faktoren ab. Vornehmlich aber, ob es sich um Einling oder Zwillinge handelt, ob die Mutter viel oder wenig Milch gab, ob das Grundfutter optimal war oder nicht und ob Kraftfutter eingesetzt wurde oder nicht. Ausserdem spielen einem ab und zu auch noch die Magendarmparasiten böse mit! Es gibt Lämmer die sind mit 4 Monaten 40 Kilo schwer andere  mit 10 Monaten 45 Kilo.

Wen nun der Metzger ein Lamm mit Lebendgewicht von 45 Kilo schlachtet, so hat er anschliessend eine Schlachtkörpergewicht von ca. 22 Kilogramm. ( Oder wenn wir bei der Schweizerpräzision bleiben, ergibt 42.5 Kilo Lebend einen Schlachtkörpergewicht von 20 Kilogramm). Ein Lamm das geschlachtet wird, hinterlässt 52% Schlachtabfall (Fell, Innereien, Blut) und dann noch 13% Knochen, Sehnen, und Fett, welches der Metzger bei zerlegen wegschneidet.

Ein Lamm mit Lebendgewicht von 45 Kilo bringt also zerlegt und präpariert ein Gesamtgewicht von 14 bis 16 Kilogramm auf die Waage. Wenn nun Ihr irischer Metzger Lämmer mit einem Lebendgewicht von 27 bis 45 Kilo schlachtet, so scheint mir dies absolut in der Norm zu sein. Diese Lämmer werden auch wirklich nicht älter sein als 12 Monate!

Nun noch ein Wort zum Gigot. Ich verkaufe nur halbe oder ganze Lämmer, nach Kundenwunsch zerlegt. Die Kundschaft will oft Gigot mit Bein. Dabei sind die Gewichte eines Gigots mit Bein in etwa:

Schlachtgewicht 16 Kilo - Gigot 1740 gr.
Schlachtgewicht 18 Kilo - Gigot 2150 gr.
Schlachtgewicht 20 kilo - Gigot 2064 gr.
Schlachtgewicht 21 Kilo - Gigot 2337 gr.
Schlachtgewicht 23 Kilo - Gigot 2570 gr.
 
Wenn also Ihr irischer Metzger eine Gigot von 1.6 Kilo hat, dann wird das Schlachtgewicht dieses Lammes ca. 15 Kilo betragen haben und lebend war es etwa 30 bis 32 Kilo schwer. Wir reden hier also von einem Jungen und noch etwas leichten Lamm. Der Gigot der 3.1 Kilo schwer war, stammt vermutlich auch noch nicht von einem Schaf, wobei wir dieser Grenze natürlich etwas näher kommen.

Ich habe einmal einen Gigot eines Schafbockes ganz über dem Feuer zubereitet. Dieser war 6 Kilo schwer. Das mit der Minzsauce ist eine andere Sache bei der ich mich dann nicht mehr so gut auskenne...So wie ich Ihre Aussagen interpretiere lieben Sie besonders das zarte Fleisch eines Milchlammes. Die werden meist vor der Osterzeit mit einem Lebendgewicht von 18 + Kilo geschlachtet. Es bleibt aber dann nicht viel Fleisch übrig und für uns Schafhalter ist diese Art von Lammverwertung nicht so erstrebenswert. Versuchen Sie doch einmal Fleisch eines Lammes das langsam wachsen durfte und mit Muttermilch und Gras ernährt wurde. Ein Schlachtkörpergewicht con 18 bis 20 Kilo scheint mir optimal. Solches Fleisch liebe ich und meine Kundschaft auch.

Ich hoffe, ich konnte ein wenig Licht ins Lammfleischproblem bringen und wünsche von Herzen en Guete und Petri-Heil.

Es grüsst Sie recht freundlich
Christian Marti

PS: Schafgeschichte/ Lammgerichte: so heisst ein neues Kochbuch, welches Christian Gazzarin geschrieben hat. Erschienen im Spriessbürger Verlag, ISBN 978-3-9524524-3-1